Wirtschaftliche Entwicklungen können es erfordern, Einsparungen vorzunehmen. Das trifft Menschen im privaten Bereich, aber auch Organisationen und Unternehmen. In diesen Zeiten sind viele davon stark betroffen. Dahinter stehen Schicksale. Und nicht jeder hat Lust, in einer auf Erfolg getrimmten Kultur davon anderen zu erzählen. Not verbirgt sich. Not macht einsam. Rückzug.
Ein anderer Gesichtspunkt: Für die seelische Gesundheit ist es wichtig, sich von Zeit zu Zeit zurückzuziehen. Erholung muss sein.
Mehrmals berichtet der Evangelist Matthäus davon, dass sich Jesus zurückzieht. Zum Gebet oder einfach, um Ruhe zu haben. Doch es gelingt nicht, weil die Menschen ihm dauernd folgen.
Diesmal sucht Jesus im Gebiet von Tyrus und Sidon eine Rückzugsmöglichkeit. Die Gegend ist eher von römischer Hafen-Kultur geprägt. Jesus ist da vermutlich nicht so bekannt. Vielleicht mit einem Schmunzeln schreibt Matthäus diesen Satz: „Und siehe, eine kanaanäische Frau aus jener Gegend kam zu ihm und rief: Hab Erbarmen mit mir, Herr, du Sohn Davids! Meine Tochter wird von einem Dämon gequält.“ (15,22)
Ob Jesus davon genervt war, wissen wir nicht. Beachtlich ist seine Reaktion auf den Hilfeschrei: „Er aber gab ihr keine Antwort.“ Ohne Antwort stehen gelassen werden – das sitzt! Damit nicht genug: „Da traten seine Jünger zu ihm und baten: Schick sie fort, denn sie schreit hinter uns her! Er antwortete: Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt.“ Also nicht zuständig.
Nach so einer abweisenden Antwort hätte ich mich zurückgezogen. „Doch sie kam, fiel vor ihm nieder und sagte: Herr, hilf mir!“
Jeder höfliche Mensch hat gelernt: Keine Vergleiche mit Tieren. Und nun zitiert der Evangelist Folgendes: „Er erwiderte: Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den kleinen Hunden vorzuwerfen.“
Die Geschichte hat ihre Spitze erreicht. Der Leser wird sich denken: Danke – das genügt. So denken nicht wenige heute über unsere Kirche.
Die überlieferte Antwort der Frau hat Witz: „Da entgegnete sie: Ja, Herr! Aber selbst die kleinen Hunde essen von den Brotkrumen, die vom Tisch ihrer Herren fallen.“ – Volltreffer!
Jesus, ganz Gott und ganz Mensch, ist beeindruckt. „Darauf antwortete ihr Jesus: Frau, dein Glaube ist groß. Es soll dir geschehen, wie du willst. Und von dieser Stunde an war ihre Tochter geheilt.“ Wunderbar!
Der Text handelt auf drei Ebenen. Erste: Der vergeblich nach Ruhe suchende Jesus, sein kantiges Verhalten und sein Bewusstsein, nur für einen auserkorenen Kreis der Israeliten zuständig zu sein. Damit verbunden eine Entwicklung. Das Wirken Jesu bzw. das Heilsgeschehen Gottes geht über den ursprünglichen Aktionskreis Jesu, Galiläa, hinaus – in die Gegend von Tyrus und Sidon, zwei Hafenstädte mit römischem Handelsflair. Von Galiläa in die Welt.
Zweite: Die von Matthäus angesprochene junge und angefeindete Kirche im ersten Jahrhundert. Jesus, die Frau und die Kirche – sie sind in einer belasteten Situation. Die Botschaft: „Auch wenn ihr sehr viel aushalten müsst – lasst euch nicht klein machen, seid beharrlich wie diese Frau und tragt wie Jesus das Heil zu allen möglichen Leuten, die euch begegnen.“
Auf der dritten Ebene sind wir selbst – heute und jetzt! Sich zurückziehen und aufbrechen.
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