Ein Umzug mit der Familie mindert die Lebenserwartung um ein Jahr, sagt der Volksmund. Ein Haus bauen, um zwei! Ich kann da mitreden. Als ich abends beim Begehen der Baustelle feststellte, dass die Wand nicht dort war, wo sie laut Plan sein sollte, begann der Ärger. Nicht genug: eine falsch gesetzte Kellertreppe aus Stahlbeton ließ das Glück vom eigenen Haus etwas in die Ferne rücken. Wenn ich Schadenfreude hätte, würde ich jetzt schreiben, dass mein geliebter Nachbar, der wegen seines Baukranes meinen Revisionsschacht heimlich zuschüttete, aufgrund von Fehlplanung nun Grundwasser im Keller hat.
Und trotzdem: Es kann Freude machen, ein Haus zu bauen. „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, sagt Hermann Hesse. Bei meinem Hausbau war das auch so: Ideen haben, Pläne machen, mit den Bauleuten etwas gemeinsam voranbringen und sehen, wie Neues entsteht.
Ideen und Wünsche sind das eine, die nüchterne und unvollkommene Wirklichkeit das andere: Nicht alle Pläne lassen sich umsetzen. Oft liegen die Wünsche weit auseinander. Während des Bauens gibt es Fehler. Wer ist verantwortlich? „Schuld sind immer die anderen.“ Und schließlich: Die Kosten können davonlaufen – das eingeplante Geld reicht nicht.
Unser Leben lässt sich mit einer ständigen Baustelle vergleichen. Oft müssen wir Lebenspläne umschreiben, anders planen und unsere Möglichkeiten neu berechnen. Passt es – oder passt es nicht? Zimmerleute sagen: „Wo gehobelt wird, fallen auch Späne.“ Das gilt übrigens auch für eine christliche Gemeinde.
Bauen ist faszinierend und mühsam zugleich.
Der Evangelist Lukas wählt für seine Botschaft das Bild einer Baustelle:
„In jenen Tagen sagte Petrus, erfüllt vom Heiligen Geist: Ihr Führer des Volkes und ihr Ältesten! Wenn wir heute wegen einer guten Tat an einem kranken Menschen darüber vernommen werden, durch wen er geheilt worden ist, so sollt ihr alle und das ganze Volk Israel wissen: im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, den ihr gekreuzigt habt und den Gott von den Toten auferweckt hat. Durch ihn steht dieser Mann gesund vor euch. Dieser Jesus ist der Stein, der von euch Bauleuten verworfen wurde, der aber zum Eckstein geworden ist. Und in keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen.“ (Apg 4, 8–12)
Lukas vergleicht das Volk Gottes mit Bauleuten. Das ist ein sehr kreativer Ansatz, der für jeden gläubigen Menschen ein Ansporn sein kann. Wir sind dazu aufgefordert, am Reich Gottes, an seinem Haus, mitzuwirken! Wo ist mein Platz dabei?
Da ist noch die Sache mit dem Eckstein: Es geht wohl um einen großen tragenden Stein im Fundament oder einen besonders behauenen Schlussstein, der einem Bogen Halt gibt. Einen solchen Stein zu wegzuwerfen, wäre nicht klug. Er würde dem Bauwerk den Halt nehmen. Heute glauben viele, auf Christus verzichten zu können. Sie müssen selbst entscheiden, ob das sinnvoll ist.
Bleiben wir im Bild der Baustelle. Der Ton ist nicht immer der feinste – leider. Als Student bei den Jesuiten musste ich schmunzeln, weil der für das Geld zuständige Pater beim Neubau der Bibliothek stets selbst auf der Baustelle anwesend war. Wenn ein Betonmischer sich rückwärts auf der Rampe gefährlich nach oben bewegte und die Hinterachse den Halt zu verlieren drohte, schrie der Pater immer: „Pass doch auf, du A…“ Den Fahrern war es meist egal. Das ist eben der Sound von Frankfurt.
Dennoch: Ist unsere „ständige Kirchenbaustelle“ ein Ort, an dem Menschen gern mitwirken möchten?
Bei meiner eigenen Baustelle habe ich gute Kompromisse gefunden. Das Haus ist in einem tadellosen Zustand. Der liebe Nachbar, der mit den Bauleuten regelmäßig im Streit war, hat sein Grundwasser im Keller behalten dürfen – bis heute.
Thomas Seibert
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