Liebe Leserinnen und Leser,
ein Stellvertreter ist manchmal eine feine Sache. Man will oder kann etwas nicht selbst erledigen und beauftragt jemanden, der das für einen macht. Als ich ein Auto gekauft habe, nahm ich gern das Angebot des Händlers an, die TÜV-Anmeldung für mich zu machen und mir diesen Weg zu ersparen.
Ein Angestellter, der einen Betriebsrat wählt, ist wahrscheinlich auch heilfroh, dass der für ihn in manche mühseligen Verhandlungen geht und für ihn das Beste rausholt. Oder der Mandant, der einen Anwalt beauftragt, der für ihn eintritt und die Kämpfe ausficht, bei denen der Auftraggeber selbst überfordert wäre.
Auch in der Kirche gibt es das. Bei der Taufe eines kleinen Kindes bekennen Eltern und Paten stellvertretend für den Täufling, dass sie den katholischen Glauben teilen. So weit, so gut.
Ein Ehepaar, seit Jahrzehnten ständig im Streit und niemals zugleich derselben Meinung, bekam zur Silberhochzeit von den Kindern, die das Dauer-Drama leid waren, einen Besuch beim Ehetherapeuten geschenkt. Auf der Fahrt dorthin kabbelten sie sich ständig, im Wartezimmer gifteten sie sich an und sogar im Behandlungszimmer ging das Gekeife weiter. Schließlich stand der Therapeut auf, packte mit beiden Händen den Kopf der Frau und gab ihr einen dicken Kuss. Sie war schlagartig still. Dann drehte er sich zu dem verdutzten Ehemann um und sagte: „Sehen Sie, das braucht Ihre Frau mindestens dreimal die Woche!“
Der antwortete deutlich beeindruckt: „Na gut – wenn Sie meinen. Ist es OK, wenn ich sie montags, mittwochs und freitags bringe?“
Stellvertretung ist oft gut, aber man kann sich nicht bei allem vertreten lassen. Zum Beispiel bei Liebesbeziehungen. Die kann niemand für einen anderen führen. Auch Glaube ist eine Liebesbeziehung – eine Liebesbeziehung zwischen Gott (der dich liebt) und dir (auf dessen Antwort Gott wartet). Die Frömmigkeit deiner Eltern oder deiner Frau oder deines Onkels, der ins Kloster gegangen ist, ersetzen nicht deinen eigenen Glauben.
Ob du mit Jesus gehst oder nicht, das liegt an dir. Lass dich selbst von Ihm küssen!
Mit herzlichen Grüßen,
Ihr Kaplan Andreas Theurer