„was meinst du wohl, was ich dann beten tät. / Ohne Prioritäten – einfach so, wie es käm, fing ich an. / Nicht bei Adam und nicht bei Unendlich. Trotzdem: Jeder und jedes käm dran… / Ich tät beten, was das Zeug hält. Ich tät beten auf Teufel komm raus. / Ich tät beten, für was ich gerade Lust hätt, doch für nichts, wo mir wer sagt: Du musst… „ (Wolfgang Niedecken, Musiker, Maler und Dichter)
Wann habe ich zuletzt gebetet? Die Antworten mögen ganz verschieden sein: „In großer Not.“ – „Aus Dankbarkeit und Freude.“ – „Voller Klage.“ Oder einfach so am Beginn eines Tages oder am Ende. Oder gar nicht.
Vielleicht ist Niedecken einigen noch bekannt – er war der Frontmann der Kölner Rockgruppe BAP, die in den 80er-Jahren mit ihren nachdenklich-kritischen Songs sehr berühmt wurde. Seine Erziehung war katholisch geprägt. Er ist bis heute sozial engagiert und Träger des Bundesverdienstkreuzes.
Das Lied ist aus der Perspektive eines ungläubigen Menschen geschrieben. Aber ganz so einfach ist die Sache nicht. Denn es gibt auch Gläubige, die sich zu Gott bekennen – aber nicht mehr beten können. Manchmal fällt mir das Beten schwer. Ich denke darüber nach, wie es denn für Gott so ist, wenn er von Milliarden Menschen jeden Tag zahllose Gebete hört. Was geschieht damit? Einige werden erhört, andere scheinbar nicht. Nach welchen Maßstäben geht Gott vor? Braucht Gott meine Gebete überhaupt? Oder sind Gebete eher eine Pflicht, die zu erfüllen ist, um bei ihm Gnade zu finden? Es gibt Menschen, die fromm ihre Gebete sprechen, aber im tiefsten Herzen gar nicht gläubig sind.
Vielleicht lässt sich Niedeckens Lied, sein Ringen und Suchen, auch als Gebet deuten. Das ist tröstlich. Denn beim Beten geht es vermutlich nicht darum, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, sondern in Kontakt mit Gott zu sein.
Interessant ist, was der Apostel Paulus an seine Gemeinde in Philippi schrieb:
„Schwestern und Brüder! Immer, wenn ich für euch alle bete, bete ich mit Freude. Ich danke für eure Gemeinschaft im Dienst am Evangelium vom ersten Tag an bis jetzt. Ich vertraue darauf, dass er, der bei euch das gute Werk begonnen hat, es auch vollenden wird bis zum Tag Christi Jesu. Denn Gott ist mein Zeuge, wie ich mich nach euch allen sehne im Erbarmen Christi Jesu. Und ich bete darum, dass eure Liebe immer noch reicher an Einsicht und jedem Verständnis wird, damit ihr beurteilen könnt, worauf es ankommt. Dann werdet ihr rein und ohne Tadel sein für den Tag Christi, erfüllt mit der Frucht der Gerechtigkeit, die durch Jesus Christus kommt, zur Ehre und zum Lob Gottes“ (Phil 1, 4–6.8–11).
Paulus pflegte eine lebendige Verbindung durch Briefe – und durch Beten.
Regelmäßig bete ich für andere Menschen. Ich weiß nicht, was mit meinen Gebeten geschieht. Doch schon mehrmals habe ich gespürt, dass sich etwas verändert hat. Das muss nicht heißen, dass sich meine Wünsche und Bitten erfüllen. Und trotzdem spüre ich eine tiefe Freude im Herzen, ein Vertrauen – ohne zu wissen.
Lohnt sich das? Ja!
Thomas Seibert
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