Ich weiß nicht, wieviel Lebenszeit ich damit verbringe, etwas zu suchen – und das, obwohl ich eher ein ordentlicher Mensch bin. Ordnung zu halten, ist das traditionell bewährte Mittel, um den Mächten des Chaos Einhalt zu gebieten. Das Gegenteil davon ist der Kosmos – was auf Griechisch schöne Ordnung bedeutet. Das Wort Kosmetik gehört übrigens zur gleichen Wortfamilie.
Ich sitze also nun hier vor meinem Bildschirm, dem Monitor, was übersetzt Ermahner bedeutet, und bin genervt. In der kleinen Leiste rechts unten ist eine digitale Uhr, die mir mahnend anzeigt, wie die kostbare Zeit zerrinnt – und zwar ohne das gewünschte schnelle Ergebnis. Es geht um ein Dokument, das ich vor längerer Zeit irgendwo im digitalen Nirwana versenkt habe und nun gern benutzen würde. Doch es will nicht gelingen. Frust ergreift mein Gemüt.
Eine Hochform von Unmut ergreift mich, wenn ich mit der Wochenend-Einkaufsliste für die liebe Familie im Supermarkt umherirre und ein spezielles Produkt nicht finde. Die Gänge rauf und runter, vor unüberschaubaren Regalen stehend, suchend. Es ist nicht immer gut, wenn es zu viele Möglichkeiten gibt. Dankbar müsste ich sein, weil die Regale reichlich gefüllt sind – das ist nicht überall so auf der Welt. Ich sehe aber auch die Menschen, die nach günstigen Waren suchen und diese nicht mehr finden. Das ist traurig.
Bei einer geistlichen Meditation vor vielen Jahren sprach der Seelenbegleiter davon, dass wir als Menschen stets Suchende sind. Das klingt zunächst vielleicht sympathisch nach Offenheit, vielfältigen Lebensmöglichkeiten, Optionen usw. In meiner damaligen Situation empfand ich eher eine Wut. Denn ich wollte nicht mehr herumirren, sondern an meinem erwünschten Ziel ankommen. Später habe ich dann mein Ziel gefunden, aber bald wieder verloren. Das hat sich einige Male wiederholt. Der alte Seelenbegleiter sollte Recht behalten.
Mir kommt ein klagender Song der deutschen Rockband The Rainbirds in den Sinn: „Ich gehe allein voran, du sagst mir, ich soll nicht so schnell gehen. / Aber ich bin langsamer als du denkst, ich bin so vorsichtig wie deine Berührung. / … / Wenn du willst, dass ich glaube… / Hier ist eine Blaupause deiner Vergangenheit. / Hier ist eine Blaupause deines Schicksals. / Ich schleiche mit einer Blaupause meines Liebhabers um die Ecke …“ (“I sneak around the corner with a blueprint of my lover.”)
Mich tröstet die Frohe Botschaft des Evangelisten Matthäus:
„Bittet und es wird euch gegeben; sucht und ihr werdet finden; klopft an und es wird euch geöffnet! Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird geöffnet“ (Kap 7, 8).
Suchen müssen kann wie eine Strafe sein. Oft irre ich umher – ich bin nicht allein!
Thomas Seibert, Diplomtheologe
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