Lust und Sehnsucht, ein paar Ideen und eine Kreditkarte. Ich nähere mich einer großen Glasfront, in deren Mitte ist eine in Messing gerahmte automatische durchsichtige Schiebetür. Beim Hindurchschreiten eröffnet sich eine bezaubernde Welt – reich an Reizen und verführerischen Angeboten. Sobald ich etwas verweile, kommt eine freundliche Dame oder ein freundlicher Herr, fragt nach meinen Wünschen und bietet Hilfe und Orientierung. Das gibt ein schönes Gefühl, das ich genieße. Im Alltag, draußen vor der Tür des Kaufhauses, ist es anders. Da geht es weniger um mein Wohlbefinden, sondern darum, was ich tun muss. Erwartungen sind zu bedienen und Pflichten zu erfüllen. Das erzeugt nicht immer Freude. Es ist aber die Sehnsucht nach Freude und Glück, die unser Leben antreibt.
In den Geschäften der großen Städte habe ich viele schöne Stunden erlebt; ich habe es genossen, umsorgt zu werden. Es ist schade, wenn viele von ihnen bald nicht mehr da sein werden. Traurig ist es für die Menschen, die dort ihren Beruf ausüben und ihre Arbeit verlieren.
Von einem „Kaufhaus“ ganz anderer Art handelt der Bericht des Evangelisten Johannes, der um das Jahr 100 entstanden ist:
„Das Paschafest der Juden war nahe und Jesus zog nach Jerusalem hinauf. Im Tempel fand er die Verkäufer von Rindern, Schafen und Tauben und die Geldwechsler, die dort saßen. Er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle aus dem Tempel hinaus samt den Schafen und Rindern; das Geld der Wechsler schüttete er aus, ihre Tische stieß er um und zu den Taubenhändlern sagte er: Schafft das hier weg, macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle! Seine Jünger erinnerten sich, dass geschrieben steht: Der Eifer für dein Haus wird mich verzehren. Da ergriffen die Juden das Wort und sagten zu ihm: Welches Zeichen lässt du uns sehen, dass du dies tun darfst? Jesus antwortete ihnen: Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten. Da sagten die Juden: Sechsundvierzig Jahre wurde an diesem Tempel gebaut und du willst ihn in drei Tagen wieder aufrichten? Er aber meinte den Tempel seines Leibes. Als er von den Toten auferweckt war, erinnerten sich seine Jünger, dass er dies gesagt hatte, und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte. Während er zum Paschafest in Jerusalem war, kamen viele zum Glauben an seinen Namen, da sie die Zeichen sahen, die er tat. Jesus selbst aber vertraute sich ihnen nicht an, denn er kannte sie alle und brauchte von keinem ein Zeugnis über den Menschen; denn er wusste, was im Menschen war.“ (2, 13–25)
Was Jesus heute machen würde, wenn er in ein Kaufhaus ginge, weiß ich nicht. Was ihn damals mächtig aufgeregt hat, war der Missbrauch des Heiligen! Wenn Menschen den Namen Gottes für eigene Zwecke einsetzen, wird es gefährlich. Denn Gottes Wille ist oft im Gegensatz zum menschlichen.
Ein weiterer Gesichtspunkt: Das Entscheidende ist nicht käuflich! Es ist uns geschenkt. Zuerst das Leben selbst! Was in Liebe zueinander geschieht, geht mit ein in die Ewigkeit Gottes – hat also bleibenden Wert. Alles andere bleibt auf Erden zurück. Wir nehmen es nicht mit. „Am letzten Hemd sind keine Taschen.“ Manches von dem, was erworben wurde, könnte so gesehen zum Ballast werden.
Noch eines: Das Konzept des Marktes legt nahe, immer darauf zu achten, ein gutes Geschäft zu machen. Das passt für die Wirtschaft. Aber: Das gesamte Leben als erfolgreiches Geschäftsmodell?
Wie laufen meine Verhandlungen mit Gott? Gibt es ein gerechtes Ergebnis? Einen fairen Deal?
Als Jesus die Tische der Händler umstürzte, setzte er ein starkes Zeichen. Über das Heilige können die Menschen nicht verfügen. Gott setzt andere Maßstäbe!
Ich denke zurück an die schönen Gespräche mit den Menschen im Verkauf. Dabei ging es nicht immer nur ums Geld, sondern manchmal auch um etwas Anderes. Und das war auf eigene Weise wertvoll.
Thomas Seibert
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