Italienische Bergpässe muss man mögen: Schmale und oft unbefestigte Straßen, spitze Kehren und steile Abgründe. Meine liebe Frau war mit dieser Fahrt sichtlich unzufrieden und brachte ihr Missfallen deutlich zum Ausdruck. Als mit zunehmender Höhe noch dichter Nebel hinzukam und Geröll auf der Fahrbahn zum scharfen Ausweichen zwang, wurde sie ungemütlich. Mein trockener Trost: „Schatz, es hat keinen Sinn, sich am Sitz festzuhalten.“ – Wenn Blicke töten könnten…! Ich hatte nun selbst eingesehen, dass es besser wäre umzukehren. Es ging nicht.
Es ist manchmal schwierig, einen einmal begonnenen Weg zu verlassen: das eigene Nicht-Wollen oder Nicht-Können, Bequemlichkeit, bestimmte Erwartungen oder andere Gründe.
Der Evangelist Markus konfrontierte seine antiken Leser mit einer Zumutung:
„Nachdem Johannes der Täufer ausgeliefert worden war, ging Jesus nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!
Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er Simon und Andreas, den Bruder des Simon, die auf dem See ihre Netze auswarfen; sie waren nämlich Fischer. Da sagte er zu ihnen: Kommt her, mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen.
Und sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm nach. Als er ein Stück weiterging, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren im Boot und richteten ihre Netze her. Sogleich rief er sie und sie ließen ihren Vater Zebedäus mit seinen Tagelöhnern im Boot zurück und folgten Jesus nach.“ (Mk 1,14-20)
Herodes, getrieben von der Angst, Ansehen und Macht zu verlieren, hatte den unbequemen Täufer Johannes zum Schweigen gebracht. Trotzdem begann Jesus mutig seine Rede vom Reich Gottes. Im Blick auf die damaligen Herrscher eine gefährliche Ansage gegenüber dem jüdischen Vasallenkönig und dem römischen Kaiser. Jesus forderte Neubesinnung, Umkehr – genau genommen Abkehr vom Bisherigen und Hinwendung zu Gott. Drastisch war seine Aufforderung zur Nachfolge. Ohne Diskussion und ohne langwierige Entscheidungsfindung ließen die Gerufenen ihr Geschäft liegen und folgten.
Was für eine Begeisterung musste Jesus ausgeübt haben. Ob die Ehefrauen, die dadurch vielleicht brotlos wurden, die Begeisterung teilen konnten, ließ Markus offen. Vielleicht waren sie auch froh? Wir wissen es nicht.
Der Text ist unbequem und herausfordernd. Ebenso die Botschaft Jesu. Was soll daran froh sein? Markus liefert keine fertige und leicht bekömmliche Antwort. Die Leser, heute wie damals, müssen es selbst herausfinden. Aber das gelingt nur denen, die sich vertrauensvoll auf einen Weg mit Jesus einlassen. Zumutung hat mit Mut zu tun.
Ob sich meine Frau noch einmal mit mir auf solch eine Bergpassfahrt eingelassen hätte, wollte ich danach auch nicht mehr wissen. Wir kamen nach vielen Stunden auf der anderen Seite des Berges wohlbehalten unten im Tal an. Darüber waren wir beide froh.
Thomas Seibert
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