Wann genau eine Zeit der Not ist, lässt sich nicht so einfach sagen. Wann fängt sie an und wann hört sie auf? Manche Politiker glauben, dies durch entsprechende Gesetze klären zu können. Entscheidend ist jedoch vielmehr die persönliche Situation und Wahrnehmung. Wer in sogenannten guten Zeiten ein Schicksal erduldet, bewertet diese Phase eher negativ. Und umgekehrt gilt: Auch in einer allgemeinen Krise ist persönliches Glück gut möglich.
Derzeit schwankt die öffentliche Meinung zwischen Krisenmodus und Sehnsucht nach Normalität. Die Zahlen steigen, die Ängste auch. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, was das für das eigene Seelenleben bedeutet.
Eine der schwersten Notzeiten des Volkes Israel war die Deportation 586 v. Chr. Die Großmacht Babylon hatte die Bildungs- und Oberschicht weitgehend getötet und die übrigen ihrer Heimat entrissen und mit Zwang umgesiedelt. Das zeigt, dass viel Bildung und Geld nicht automatisch zu einer besseren Lebenssituation führen.
Davon berichtet das Buch Daniel, das zur Endphase des Alten Testaments gehört. Es entstand gleichsam in einer Zeitenwende. Es bezieht sich auf die Not jener vergangenen Tage und blickt in die Zukunft. Die literarische Gattung nennt man „Apokalyptik“- dabei geht es um die Offenbarung geschichtlicher Geheimnisse der Endzeit. Interessant ist zudem, dass dieser Text im Alten Testament einer der wenigen ist, der von der Auferstehung der Toten handelt.
„In jener Zeit tritt Michael auf, der große Fürst, der für die Söhne deines Volkes eintritt. Dann kommt eine Zeit der Not, wie noch keine da war, seit es Völker gibt, bis zu jener Zeit. Doch zu jener Zeit wird dein Volk gerettet, jeder, der im Buch verzeichnet ist. Von denen, die im Land des Staubes schlafen, werden viele erwachen, die einen zum ewigen Leben, die anderen zur Schmach, zu ewigem Abscheu. Die Verständigen werden glänzen wie der Glanz der Himmelsfeste und die Männer, die viele zum rechten Tun geführt haben, wie die Sterne für immer und ewig“ (Dan 12, 1–3).
Der biblische Autor spricht von einer kommenden großen Not. Gegenwärtig erleben wir ebenfalls Not, gesellschaftlich und vielleicht auch persönlich.
Manchmal ahne ich, dass sich Dinge in meinem Leben nicht zum Besseren entwickeln. Ich spüre eine persönliche Zeitenwende – nicht alles Neue ist gut. Wie geht es weiter? Was erwarte ich? Worauf hoffe ich?
Thomas Seibert
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