Traurig sitze ich am Dreikönigstag in der Kirche und singe am Schluss des Gottesdienstes das Lied „O du fröhliche“. Die Melodie, die aus Sizilien stammen soll, berührt das Herz. „O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit“ – die nun endet. Meine Stimme stockt – ich singe nicht mehr mit. Vor ein paar Tagen ist mein Vater gestürzt und musste auf die Intensivstation des Wertinger Krankenhauses, wo ich früher über 16 Jahre als Seelsorger gearbeitet habe. Ihm geht es nicht gut. Wie soll es weitergehen? Wir müssen warten und hoffen.
„Welt ging verloren, Christ ist geboren.“ Ich schaue im Gesangbuch auf das Entstehungsjahr des Textes: 1816 – der Dichter heißt Johannes Daniel Falk.
Jenes Jahr gilt als das „Jahr ohne Sommer“. Denn 1815 war in Indonesien ein Vulkan ausgebrochen, was eine Klimaveränderung bewirkt hat. Es kam zu einem ungewöhnlich kalten Wetterverlauf, schweren Unwettern, Überschwemmungen und großen Ernteausfällen. Damit einher gingen Hungersnöte, Preissteigerungen und Seuchen, vor allem Typhus und Pest.
Doch damit nicht genug: 1813 endete der große Angriff Napoleons auf Russland in einer Katastrophe. Man schätzt, dass mehr als 500.000 Soldaten der Franzosen und ihrer Verbündeten ums Leben kamen und über 200.000 Russen. Napoleon wurde verbannt, kam aus dem Exil zurück und führte 1815 in der Völkerschlacht bei Waterloo nochmals Zigtausende in den Tod. In dieser Zeit wurde Europa grausam durchgepflügt und neu geordnet.
„Welt ging verloren“ – auch für den Dichter dieses Liedes, weil er vier Kinder durch eine Typhusseuche verloren hatte.
„Christ ist geboren“, das klingt hoffnungsvoll! Johannes Daniel Falk gründete in Weimar ein „Rettungshaus für verwahrloste Kinder“.
Dieses Jahr waren die Festtage in der Familie nicht so fröhlich. Und die Lage in Europa ist zunehmend angespannt.
Ich blicke nach vorne in den Altarraum und sehe die Sternsinger – fröhliche Kinder, die in viele Wohnungen den Segen Gottes bringen: „Freue, freue dich, o Christenheit!“
Mit einem Geburtstagsgruß gehe ich noch zum Altenheim, anschließend nach Hause und packe Sachen für meinen Vater, die er im Krankenhaus braucht. Gnade.
Thomas Seibert, Diplomtheologe
Bild: Kindermissionswerk “Die Sternsinger”