oder nervig. Wenn die Deutsche Bahn die Weiterfahrt unterbrechen muss wegen Waggonschaden, Türschaden, Kupplungsschaden, Lokschaden, Gleisschaden, Oberleitungsschaden, Böschungsbrand oder einem anderen Grund, ist das ärgerlich. Mein Opa war Eisenbahner. Seine Dampfloks waren pünktlich. Vorbei! Sobald der Zug auf offener Strecke steht, zücken viele ihre Smartphones und teilen mehr oder minder lieben Menschen mit, dass sie jetzt hier im Irgendwo hängengeblieben sind. Die einen geraten in Panik, weil sie einen wichtigen Termin versäumen, die anderen sind vielleicht froh, jemanden nicht sehen zu müssen. Übrigens ist in Italien im Gegensatz zu Deutschland der Streik eine häufige Ursache für eine Unterbrechung. Unsere südlichen Nachbarn nehmen es meist eher gelassen.
Ich schwenke den Blick zu einem anderen Verkehrsmittel, das mir etwas sympathischer ist: dem Auto. Ich fahre gern – aber leider viel zu wenig. Lächerliche 5.000 Kilometer im Jahr. Das sei nicht gut für den Motor, meint der Mechaniker. Also wieder ein Besuch bei der unterfränkischen Verwandtschaft und rund 300 Kilometer Autobahn. Seit meiner Erkrankung muss ich viele Pausen einlegen. Womit wir wieder bei der Unterbrechung sind.
Als wir nach der kurzen Rast wieder starten wollen, ertönt im Radio ein Lied, das meine liebe Frau und mich zum Lachen gebracht hat: „You Ain´t Seen Nothing Yet“ von Bachman-Turner-Overdrive. Dieser wirklich heitere Song entstand als nicht so ernst gemeintes Teststück, gleichsam als Witz, für die Mikrofon-Einstellungen. Der Sänger Randy Bachman hatte Stotter-Phrasen eingebaut: „B-b-b-baby, you just ain´t seen n-n-nothing yet.“ Interessant an der Sache ist, dass sein Bruder Gary ein Stotterer war. Humor unter Geschwistern. Nun kam es anders als geplant: Als die Aufnahmen für das Album zur Plattenfirma gingen, natürlich ohne die Stotter-Einlage, meinte der Chef, dass keiner der Songs für einen Hit tauglich sei. Aber man könne ihm gern das gesamte Tonmaterial überlassen – vielleicht sei noch etwas Brauchbares dabei. Ausgerechnet der Stotter-Song löste Begeisterung aus – und wurde ein in seiner Art einmaliger Welthit.
Meine Frau und mich hat das Lied, das wir auf dem Autobahnparkplatz hörten, stark berührt, nicht nur traurig, sondern auch heiter. Wir wären froh, wenn unser jüngerer Sohn wenigstens stottern könnte. So bleiben wir leider oft im Dunkeln und wissen nicht, was er fühlt oder denkt. Schade.
Mit Gott kann die Sache ähnlich sein: Ich vertraue, dass er meinen Lebensweg begleitet. Es gibt Unterbrechungen. Es ist meine Entscheidung, was ich daraus mache. Mich ärgern? Die Gelegenheit nutzen? Wofür?
Vieles bleibt verborgen. Manchmal ist mein Gebet nur ein Gestotter – im Grunde eine Form von Unterbrechung, die aber einen tiefen Sinn haben kann.
Irgendwann fahren die Züge wieder weiter – irgendwo hin. Und unser Wagen rollte wieder auf die Autobahn: „You Ain´t Seen Nothing Yet“ – frei übersetzt: „Du hast noch nichts gesehen“ oder „Das ist noch gar nichts – da kommt noch viel mehr.“ Hoffnung!
Zum Song: https://youtu.be/7miRCLeFSJo?si=HliJpSOuna7Quf_4
Thomas Seibert
Bild: pixabay
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