Das ist eine Frage, die jeden bewegt! Das Bild eines allmächtigen und zugleich allgütigen Gottes, der Leid zulässt, geht nicht auf. Oder ist eine persönliche Schuld der Grund, dass Gott mich leiden lässt? Ein strafender Gott? Ist das gerecht? Dieser schwierigen und hochinteressanten Thematik widmete sich Andreas Theurer bei seinem theologischen Vortrag: „Darf man mit Gott streiten? Hiob und das Leid“ in der Kuratie St. Johannes Baptist.
In alttestamentlicher Zeit glaubten viele an den sogenannten Tun-Ergehen-Zusammenhang: Ein gutes und frommes Leben bewirkt Glück, Erfolg und Lebensfülle. Böse Taten ziehen eine göttliche Strafe nach sich. Der leidende Mensch hat an seinem Schicksal selber schuld! Ein Denken, dass heute theologisch längst überwunden ist, aber dennoch in vielen Köpfen tief verankert weiter besteht. Doch die Lebenserfahrung zeigt: Es gibt Menschen, die trotz schändlichen Verhaltens sich großen Glücks erfreuen. Und das Gegenteil: Frömmigkeit, viele Gebete und vorbildliches Leben schützen nicht vor Schicksalsschlägen. So wird Leid oft als unerklärlich erlebt.
Das Buch Hiob im Alten Testament versucht anhand einer Geschichte eine Antwort – zugegebenermaßen keine einfache. Der Text gehört zur griechisch geprägten Weisheitsliteratur – ohne genaue Datierung aus den letzten Jahrhunderten vor Christi Geburt.
Hiob ist eine leidgeprüfte Person und zugleich ein Gerechter. Zur Rahmenerzählung gehört ein Gespräch zwischen Gott und dem Satan, der nicht glauben will, dass der tadellose und gerechte Hiob Gott die Treue hält, wenn ihn großes Unglück ereilt. Hiobs Familie und sein Reichtum gehen zu Grunde. Er selbst wird von einem fürchterlichen Aussatz geplagt. Doch Hiob kann sagen: „Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen.“
Interessant ist nun, dass der leidgeplagte und klagende Hiob Besuch von der drei Freunden erhält, die etwas sehr Schönes tun: Sie sitzen einfach sieben Tage schweigend bei ihm. Ein Modell von Trauerbegleitung, das auch in unserer Zeit gelten darf. Einfach da sein!
Doch irgendwann können sie sich nicht mehr zurückhalten und versuchen in mehrfachen Reden, das Leid zu erklären. Ihre zentralen Aussagen: „Du bist selbst schuld.“ – „Gott macht keine Fehler.“ – „Du bist ein Heuchler.“ – „Du darfst Gott nicht kritisieren.“ Hiob reagiert: „Ich bin unschuldig.“ – „Gott, schaffe mir Gerechtigkeit.“ – „Ich will wissen, was ich getan habe.“ – „Warum?“ Es kommt zum Streit mit Gott. Es ist höchst beachtlich, dass die Bibel in ihren Kanon ein solches Buch aufgenommen hat! Übertragen auf den Leser lautet die Botschaft: Du darfst mit Gott hadern, ihn anklagen und mit ihm streiten! Der allmächtige Gott kann das aushalten.
Nachdem sich Gott von menschlicher Seite einiges anhören musste, ergreift er selbst das Wort, verweist auf die Größe und Erhabenheit seiner Schöpfung und schließt mit der Feststellung gegenüber Hiob: „Du hast keine Ahnung.“ Hiob antwortet: „Du hast Recht“ und wird von Gott reichlich und noch mehr als zuvor mit Lebensglück und vielen satten Jahren gesegnet. Ein Happy End mit Fragezeichen.
Was bedeutet diese Geschichte für uns?
Im Grunde geht es darum, Missverständnisse des Glaubens auszuräumen. Denn vielen gilt der Glaube als eine Art Lebenshilfe, als Erfolgsrezept für ein besseres Dasein oder als Rückversicherung gegen Unglück. In diesem Sinn wird Glauben als eigene Leistung verstanden, damit Gott mich belohnt. Der lateinische Satz „Do ut des“ bringt es auf den Punkt: „Ich gebe, damit du gibst.“ Dahinter steht die Idee, mit Gott einen guten Handel zu machen.
Doch die Geschichte von Hiob setzt einen völlig anderen Akzent: „Ich will Gott lieben, um seiner selbst willen, weil er mich liebt, und nicht, weil er mir Gutes tut!“ Gemeint ist eine vertrauensvolle Liebesbeziehung zwischen Gott und Mensch, die auch in tiefster Lebenskrise und in größtem Zweifel Beständigkeit hat. Die zentrale Botschaft: Die Treue Gottes ist stärker als alles!
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