Nach dem Schock des Corona-Frühlings und dem sorgenvollen Sommer beginnt nun in diesem außergewöhnlichen Jahr der Herbst. Und im Herbst fallen die Blätter – so sagt man.
Wir kennen die Übertragung dieses Bildes auf das menschliche Leben. Auch da gibt es einen Frühling der Jugend, einen Sommer der vollen Schaffenskraft und einen Herbst des Alters.
Sogar auf Kulturen kann man das wohl anwenden. Unsere christliche Kultur in Bayern hat den Sommer schon lange hinter sich gelassen und befindet sich anscheinend auch tief im Herbst. Das hat die Corona-Krise erneut deutlich gemacht.
Viele zwar bunte, aber trotzdem trockene Blätter sind abgefallen.
Als auf einmal die Gottesdienste abgeschafft wurden, fanden erstaunlich wenige das wirklich schlimm.
Systemrelevanz für den Staat haben wir nicht. Und ob wir nach diesem Titel überhaupt streben sollen, weiß ich auch nicht. Wozu muss Kirche systemrelevant sein? Um dem Alltag einen frommen Anstrich zu geben?
Viel dringlicher finde ich die Frage: was ist für das System meines Lebens relevant?
Welche Rolle spielen Gott, der Glaube, die Kirche, die Sakramente in meinem Leben?
Sind es Zutaten, die ich mir leiste, wenn ich Zeit übrig habe und es nicht zu viel Mühe bereitet?
Oder sind sie mir wichtiger als das eigene Leben, wie es uns die Märtyrer aller Zeiten vorgelebt haben?
Wie weit ist in diesem Sinne der Herbst schon in mein geistliches Leben fortgeschritten? Und wie werde ich mich positionieren, wenn dann schließlich der Winter vor der Tür steht?
Wovon lebe ich dann? Von Erinnerungen?
Wofür lebe ich jetzt? Für nur innerweltliche Ziele?
Von der Landwirtschaft kann man lernen, wie die Landwirte im Frühling und Sommer darauf hinarbeiten, dass sie im Herbst genug Vorrat für den Winter haben. Was haben wir in der Vorratskammer unseres geistlichen Lebens?
Ich wünsche uns allen einen Herbst, der uns Fragen stellen darf und die leise Stimme in unserem Inneren nicht mit Hektik und neuen Sorgen und Ängsten betäubt. Dann kann auch der Herbst zu einer echten „Gnadenzeit“ werden.
Mit herzlichen Grüßen,
Ihr Kaplan Andreas Theurer