Der Seelsorgebesuch bei der hochbetagten Frau auf der Intensivstation war im Grunde sinnlos. „Mein Leben war eine Qual, meine Ehe Mist. Gott hat sich mir nicht gezeigt. Ich brauche keine Seelsorge. Sie können wieder gehen.“ Das tat ich dann – aus Respekt vor ihrer Freiheit und zum Schutz für mich selbst. Es war bitter. Im Rahmen meiner Arbeit hatte ich öfters mit Frauen zu tun, deren Ehe unglücklich war. Alkohol und Gewalt können zur Hölle werden. Bei einer anderen Ehefrau konnte ich nach viel Mühe einen Platz im Frauenhaus organisieren. Ihre Zähne waren ausgeschlagen. Mit dem Ehemann gab es ein Gespräch. Er meinte lapidar, dass ihm im Streit der „Milcheimer ausgekommen sei“. Als sie schon die Koffer fürs Frauenhaus gepackt hatte, zögerte sie und sagte zu mir: „Ich bleibe bei ihm. Er hat ja auch seine guten Seiten.“ Ich war sprachlos.
Das ist sperriges Gut. Sperrig sind ebenso die Worte des Apostels Paulus:
„Schwestern und Brüder! Einer ordne sich dem andern unter in der gemeinsamen Furcht Christi! Ihr Frauen euren Männern wie dem Herrn; denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Kirche ist. Er selbst ist der Retter des Leibes. Wie aber die Kirche sich Christus unterordnet, so sollen sich auch die Frauen in allem den Männern unterordnen. Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat, um sie zu heiligen, da er sie gereinigt hat durch das Wasserbad im Wort! So will er die Kirche herrlich vor sich hinstellen, ohne Flecken oder Falten oder andere Fehler; heilig soll sie sein und makellos. Darum sind die Männer verpflichtet, ihre Frauen so zu lieben wie ihren eigenen Leib. Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst. Keiner hat je seinen eigenen Leib gehasst, sondern er nährt und pflegt ihn, wie auch Christus die Kirche. Denn wir sind Glieder seines Leibes. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden und die zwei werden ein Fleisch sein. Dies ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche“ (Epheser 5, 21–32).
Paulus bewegte sich im Denkhorizont einer vergangenen und uns fremden Zeit. Aber: In seiner von Männern geprägten Welt, dem Patriachat, machte er sehr klare Ansagen über ein liebevolles Miteinander von Eheleuten und setzte es in Beziehung zum Verhältnis von Kirche und Christus, der unser Haupt ist. Das ist die schöne Seite des Bildes.
Für den modernen Hörer der Frohen Botschaft ist jedoch die Sache mit der Unterordnung nicht selten ein großes Problem. Mitbestimmung, Partnerschaft, Teamgeist und Demokratie sind die zeitgemäßen Schlagworte. Leider werden sie allzu oft nicht eingelöst.
Lässt sich der Begriff der Unterordnung im guten Sinn verstehen? Was wäre, wenn es gar keine Ordnung gäbe? „Alle machen, was sie wollen“, ist auf Dauer keine Lösung. Eine Ordnung an sich ist nichts Schlechtes. Entscheidend ist die Frage, welche Maßstäbe in einer Ordnung gelten! Dabei befinden sich die nach außen vermittelten und die heimlich geltenden leider oft im Widerspruch. Wünschenswert ist eine liebevolle Ordnung, die ein gutes Miteinander ermöglicht. Christus als Haupt setzt die Maßstäbe. Jede Macht, egal wer sie ausübt, muss sich daran messen lassen. Unter einer solchen Ordnung leben, ist befreiend.
Mehr Mut zur Befreiung hätte ich mancher der von mir begleiteten Patientinnen gewünscht.
Thomas Seibert
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