Unruhig kommen die Kinder am frühen Morgen in ihr Klassenzimmer. Schon die Kleinen haben einen großen Ranzen auf dem Rücken – schweres Gepäck. Schaue ich in manche Gesichter, ahne ich: schweres Gepäck ist nicht nur im Ranzen, sondern auch in der Seele. Vielleicht geht es Erwachsenen in diesen Zeiten ähnlich. Zum Beginn der Stunde haben wir ein Ritual: „Geschenkte Zeit“. Eine musikalische Klangreise führt die Kinder zur Ruhe. Viele legen ihren Kopf auf den Tisch und träumen – hoffentlich etwas Schönes. Danach erheben wir uns und sprechen ein Gebet.
„Danke Gott, für diesen Morgen. / Danke, dass du bei mir bist. / Danke für die guten Freunde und dass du mich nie vergisst. / Danke für die Zeit zum Spielen, für die Freunde, die du schenkst, / und dass du an dunklen Tagen ganz besonders an mich denkst.“
Mir fällt auf, dass bei der letzten Zeile einige Kinder nachdenklich sind und eine anrührende Stille im Klassenzimmer nachwirkt.
Als Theologe habe ich früher manchmal auf den Kinderglauben von Erwachsenen etwas herabgeschaut. „Reflektierter Glaube“ usw. Heute sehe ich das anders. Sich voller Vernunft damit befassen, ist notwendig. Ist aber das Herz nicht berührt (da können Kinder ein Vorbild sein), fehlt der tragende Grund: Vertrauen.
Der Evangelist Lukas ermutigt mit einem Gleichnis und lädt dazu ein, grenzenloses Vertrauen zu haben.
„In jener Zeit sagte Jesus seinen Jüngern durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten:
In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm. In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam und sagte: Verschaff mir Recht gegen meinen Widersacher! Und er wollte lange Zeit nicht. Dann aber sagte er sich: Ich fürchte zwar Gott nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht; weil mich diese Witwe aber nicht in Ruhe lässt, will ich ihr Recht verschaffen. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht.
Der Herr aber sprach: Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern bei ihnen zögern? Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen. Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?“ (Lukas 18, 1–8)
Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Gott viele meiner Gebete nicht erhört hat. Trotzdem bete ich weiter. Und das hat mein Leben verändert. Denn ich vertraue, dass in Gottes Reich, das über unsere Vorstellung von Raum und Zeit hinausgeht, schon jetzt – gleichsam unverzüglich – alles in eine gute und rechte Ordnung gesetzt ist. Das Heil ist schon da! Das Gepäck des Lebens wird leichter.
Thomas Seibert, Diplomtheologe
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