Vielleicht hatten Sie schon einmal die große Freude, ein Möbelstück selber aufzubauen. Oftmals liefern die Hersteller eine Anleitung in einigen Dutzend Sprachen, dazu zählen natürlich auch Chinesisch, Japanisch, Arabisch und Kyrillisch. Die Schrift ist aus Umwelt-Gründen meist sehr klein gehalten, manchmal fast unlesbar. Eine Lupe kann helfen. Die Vorfreude auf das zu montierende Teil kann noch gesteigert werden, wenn der Bauplan im Internet selbst heruntergeladen werden darf. Ungern denke ich daran zurück, als der Drucker darauf beharrte, die über 80 Seiten tatsächlich auszudrucken.
Mein Vater, ein handwerklich begabter Metaller, hat mit mir oft irgendwelche Teile aufgebaut. Das war nicht immer erfreulich – vor allem, wenn der Abend später wurde und das aufzubauende Teil sich widerspenstig zeigte. Dann erhielten die Gegenstände von meinem Vater unschöne Namen und deren Konstrukteure ebenso. Ein regelmäßig von ihm gebrauchtes Wort hieß: „Wir müssen jetzt improvisieren.“ Dahinter steht die Einsicht, dass etwas planmäßig nicht geht, weil Unvorhersehbares dazwischenkommt.
Im Leben ist es übrigens immer wieder hilfreich zu „improvisieren“ – ein Wort aus dem Italienischen, das bedeutet: mit etwas Unvorhersehbarem klarkommen. Ein Leben nach Plan gibt es nicht – wäre auch langweilig. Gott alleine kann alles vorhersehen. Ein schwierieges Thema: Wo bleibt dann die menschliche Freiheit?
So haben mein Vater und ich regelmäßig bis spät in die Nacht Dinge montiert und repariert. Gelernt habe ich von ihm, trotz Schwierigkeiten nicht aufzugeben und etwas durchzuziehen. Eine Eigenschaft, die mir im späteren Leben mehrmals geholfen hat.
In der Coronazeit musste mein Sohn immer wieder von mir motiviert werden, um die Schule durchzuhalten. Er hatte Erfolg, worauf ich als Vater stolz bin. Denn nicht wenige seines Jahrganges haben das Abitur leider nicht geschafft. Es lohnt sich, nicht aufzugeben!
Ein Nebensatz: Etwas abzugeben, zum Beispiel ein Amt, heißt nicht automatisch aufzugeben. Es ist ein Kennzeichen menschlicher Größe, die eigenen Grenzen zu kennen, Neues zu wagen und eine Sache voll Vertrauen einer anderen Person weiterzugeben.
Zurück zum Thema: Der Evangelist Matthäus widmete damals der frühen und von den Römern verfolgten Kirche eine Art Ermutigungsschreiben:
„Und Jesus sprach lange zu ihnen in Gleichnissen. Er sagte: Siehe, ein Sämann ging hinaus, um zu säen. Als er säte, fiel ein Teil auf den Weg und die Vögel kamen und fraßen es. Ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden, wo es nur wenig Erde gab, und ging sofort auf, weil das Erdreich nicht tief war; als aber die Sonne hochstieg, wurde die Saat versengt und verdorrte, weil sie keine Wurzeln hatte. Wieder ein anderer Teil fiel in die Dornen und die Dornen wuchsen und erstickten die Saat. Ein anderer Teil aber fiel auf guten Boden und brachte Frucht, teils hundertfach, teils sechzigfach, teils dreißigfach. Wer Ohren hat, der höre!“ (Kapitel 13)
Dreimal geht die Sache schief – kein Erfolg. Mit gesundem Verstand würde man sagen: Unrentabel und sinnlos. Doch dann kommt Gott ins Spiel und es geschieht das Wunderbare: Ein Teil fällt auf fruchtbaren Boden und bringt Ertrag in einem Ausmaß, das alle Erwartungen übertrifft.
Vielleicht kennen Sie Schwierigkeiten nicht nur beim Aufbauen von Möbeln, sondern auch aus anderen Bereichen des Lebens: Krankheiten, Ehekrisen, Sorgen mit den Kindern, Einsamkeit, Depression, Streit… „Der Becher des Lebens kann bis zum Rand gefüllt sein.“ Wie oft dachte ich schon daran aufzugeben? „Das bringt doch nichts mehr.“
Nein! Niemals aufgeben! Vertrauen! Gott verwandelt den bis zum Rand gefüllten Becher!
Thomas Seibert, Diplomtheologe
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