lautete der Titel der von rund 150 Personen sehr gut besuchten ökumenischen Fastenveranstaltung der evangelischen und katholischen Kirchen in Göggingen, Bergheim und Inningen am 27. Februar 2024. Pfarrer Peter Gürth von der Evangelischen Dreifaltigkeitskirche moderierte die gelungene Abendveranstaltung im Roncallihaus.
Hauptreferent war der bekannte Gründer des Gebetshauses und Bestsellerautor Dr. Johannes Hartl, der auf sehr ansprechende Weise erläuterte, wie es in einer oftmals pessimistischen Gesellschaft gelingen kann, „die Zukunft anders zu denken“. „Wir haben vergessen, was den Menschen ausmacht.“ Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit und Hässlichkeit sind die Folgen, betonte Hartl eindringlich. Dagegen setzt er drei Prinzipien, die von Anfang an, gleichsam seit dem Paradies, dem Menschen mitgegeben sind: Verbundenheit, Sinn und Schönheit.
Hinter uns liegt die traurige Erfahrung einer Pandemie der Einsamkeit, an deren Spätfolgen immer noch viele leiden. Beim gut gemeinten Bemühen, Kontakte zu vermeiden, geriet etwas Entscheidendes aus dem Blick: Die heilsame Kraft von gelungener Bindung. Studien belegen, dass die ersten beiden Lebensjahre für die Bindungsfähigkeit eines Menschen von enormer Bedeutung sind. Kinder, die schon nach wenigen Monaten von der Mutter als verlässlicher Bezugsperson getrennt und in Gruppen betreut werden, zeigen später statistisch nachweisbar eine höhere Anfälligkeit für Störungen und Trennungen, was soziale Folgekosten für Beratung, Therapien oder gar Bewährungshilfe erzeugt.
Verbundenheit zu einer festen Vertrauensperson ist heilsam, ebenso die Verbundenheit zum eigenen Selbst und letztlich zu Gott:
„Durch den Glauben wohne Christus in euren Herzen, in der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet. So sollt ihr mit allen Heiligen dazu fähig sein, die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe zu ermessen und die Liebe Christi zu erkennen, die alle Erkenntnis übersteigt. So werdet ihr erfüllt werden in die ganze Fülle Gottes hinein“ (Brief an die Epheser 3,17f).
Sinn gibt dem Leben eine klare Richtung! Der Begriff „Uhrzeigersinn“ macht diesen ursprünglichen Gesichtspunkt deutlich. Sinn schützt vor Krankheit und Suizid. Interessant ist: Menschen in ärmeren Ländern, die regelmäßig mit der Bewältigung des Alltags beschäftigt sind, haben eine statistisch geringere Anfälligkeit für Selbsttötung. Überfluss kann eine gefährliche Sinnlosigkeit bewirken.
Der Blick auf den im Dritten Reich verurteilten und hingerichteten Jesuitenpater Alfred Delp (1907-1945), der im Glauben an Gott fest verbunden an der Wahrheit festhielt und sich Hitler nicht beugen wollte, macht klar: Die ungebrochene Treue zu Gott und seine Anbetung sind maßgebend. Bezogen auf unsere Gegenwart und die vielen „Versucher“: „Vor wem beuge ich die Knie?“
Hartl überraschte mit einigen Bildern von modernen, aber hässlichen Gebäuden und fragte: „Wer will darin arbeiten oder wohnen?“ Nachgewiesen ist, dass in schönen Schulgebäuden weniger Gewalt verübt wird, in ästhetisch gut gestalteten Krankenhäusern die Heilung schneller voranschreitet und in schönen Gefängnissen die Wiedereingliederung besser gelingt. „Das Schöne ist das Nachhaltige.“ Darum ist es wichtig, den Sinn für Schönheit wachzuhalten.
Auch Kleidung hat mit Schönheit zu tun, und mit Status. Ihre Hauptfunktion ist der Schutz. Am Beginn des Lebens ist der Menschen nackt und schutzlos – zugleich unmittelbar berührbar. „Was muss ich ablegen, um wieder mehr berührbar zu werden?“ Berührbar für Gott!
Ein anderes Wort für Paradies ist „Garten Eden“, was sich mit „Schönheit“ übersetzen lässt. In diesem Garten ist es Gott selbst, der den Menschen sucht: „Wo bist du?“ Und mit der Geburt seines Sohnes Jesus Christus, der uns Menschen gleich geworden ist, schutzlos und berührbar, begibt sich Gott selbst erneut auf die Suche nach dem Menschen.
„Wenn Gott aus dem Blick gerät, geht das Menschliche verloren. Es ist gut, die Sehnsucht nach dem anderen Morgen wach zu halten.“
Zum gelungenen Konzept des Abends gehörte die Einbeziehung von fachkundigen Personen, die vor Ort leben und arbeiten.
So brachte der Leiter des Augsburger Ordnungsreferats, Frank Pintsch, einen interessanten Beitrag zu dem Thema des Abends. Er stellte nicht ohne Humor fest, dass die meisten Politiker keine „Heiligen“ sind und fragte das Publikum nach „Heiligen“ in der Politik bzw. heiligen Politikern. Er benannte den Sozialdemokraten Otto Wels, der 1933 mutig gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz seine Stimme erhob. Ein anderer war Thomas Morus (1478-1535), ein englischer Staatsmann und humanistischer Autor der Renaissance („Utopia“), der sich weigerte, den geforderten Eid auf die königliche Oberherrschaft über die Kirche abzulegen und dafür seine Hinrichtung durch König Heinrich VIII. in Kauf nahm. Die Kirche verehrt ihn als Heiligen. Papst Johannes Paul II. sprach von der großen Bedeutung der Politiker als Vorbilder für eine Gesellschaft. So lautet der Auftrag an die politisch Verantwortlichen, im Grunde an alle Menschen: „Was ist mein Beitrag zum Paradies?“ Das geschieht immer in sehr konkreten und oft schwierigen Verhältnissen. Pintsch verwies auf kontrovers diskutierte, demokratisch errungene und nicht einfache Entscheidungen der Stadt zu Fragen der Unterbringung von geflüchteten Menschen oder der sinnvollen Herangehensweise an die Suchtproblematik in Augsburg. Jeder dritte Mensch ist von Sucht betroffen! In diesen Zusammenhang gehört ebenso der Hinweis, dass die Bibel von Anfang an ein Buch der Flucht ist. Abraham musste seine vertraute Heimat verlassen, Maria und Josef flüchteten nach Ägypten. Die von Hartl angesprochenen großen Themen: Verbundenheit, Sinn und Schönheit finden sich im politischen Alltag einer Kommune, wenn es darum geht, sich für vereinsamte und oft gescheiterte Menschen am Rand einzusetzen. Er zitierte Hartl mit dem Satz: „Im Gescheiterten und Gebrochenen noch das Schöne sehen, das ist Gnade.“ Sein Schlusswort, das zum Vertrauen ermuntert: „Bring Holz herbei und lass Gott kochen“ (Adolph Kolping, 1813-1865).
Einen weiteren schönen Beitrag aus dem Leben vor Ort brachte Sonja Modén, Vorsitzende des Fördervereins der Sing- und Orgelschule des Evangelisch-Lutherischen Dekanats Augsburg und Brückenbau-Ingenieurin. Seit 2011 haben in dieser Schule Hunderte Kinder zwischen eineinhalb und 18 Jahren singen gelernt. Bei zahlreichen Konzerten und Musicals haben sie Bühnenerfahrung gesammelt. Das Motto der Einrichtung: „Musik und Freundschaft erleben, gemeinsam wachsen.“
„Singen geschieht aus der Tiefe des Herzens und ist der innerste Ausdruck der Seele.“ Wer vor anderen Menschen die eigene Stimme zum Klingen bringt, macht sich verletzlich. Eine Aussage, die mit Hartls Ausführung zur Berührbarkeit und Verletzlichkeit in Verbindung steht. Wichtig ist, gemeinsam zu erleben und dabei über sich hinaus zu wachsen.
Den Abschlussbeitrag gestaltete der Bergheimer Architekt Johannes Zerwes, der in der Augsburger Öffentlichkeit bekannt wurde durch den Kauf und die aktuell andauernde Sanierung des alten Königlich Bayerischen Forstamtes in Bergheim. Beeindruckend waren seine Bild-Präsentationen über das Gebäude im verfallenen Zustand und jetzt, ebenso bedeutende Beispiele seiner kunstvollen und ästhetisch hochwertigen Projekte in Augsburg und Frankreich. Sein klares Bekenntnis: „Schöne Gebäude werden erhalten, hässliche nicht – ein entscheidender Beitrag zur Nachhaltigkeit.“ Denn: 40% des gesamten CO2-Ausstoßes erzeugen der Bau, die Klimatisierung von Gebäuden, deren Erhalt und Abriss. Also: „Es macht sehr viel Sinn, bei Gebäuden auf Schönheit zu achten und sie zu erhalten.“
Thomas Seibert, Diplomtheologe